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Stellungname zur geplanten Fernwärmeleitung von Neumünster nach Kiel

 

Dipl.-Ing. Peter Hartz VDI                                                                                                      Kiel, den 10.08.2011

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24145 Kiel                                                                                                                                Tel.: 0431-711803

 

Zur Drucksache – 0461/2011 der Ratsversammlung Kiel

Die unter Punkt 3.2 genannte Alterative, Fernwärme aus Neumünster zu beziehen, halten wir für eine Mogelpackung. Damit würde Kiel ein Kohlekraftwerk durch die Hintertür bekommen. Das Argument, dass NMS so die überschüssige Wärme umweltfreundlich, auch was die CO2-Bilanz betrifft, verwerten würde, trifft nicht zu, denn die Wärme könnte umweltfreundlicher in einem erweiteren Wärmenetz vor Ort eingesetzt werden. In NMS besteht ohnehin ein großer Nachhol-bedarf, da die Anschlussquote erheblich geringer als in Kiel ist. Die geschätzten Baukosten von 60Mio € für die Fernwärmeleitung nach Kiel könnten eingespart oder für ein Pumpspeicherwerk im Bereich Kiel verwendet werden.

Mit dem Bau einer Fernwärmeleitung zwischen Kiel und Neumünster werden Entwicklungen festgeschrieben, die Kiel zukünftig ohne eigene Stromerzeugung dastehen lassen, denn einerseits muss sich die Investition amortisieren, andererseits ist dann NMS für ein größeres GuD-Kraftwerk der günstigere Standort, zumal es bereits an der großen Deudan-Gaspipeline liegt und eine Zubringer-Pipeline nach Kiel überflüssig wird.

Das Argument man findet keinen Investor für ein GuD-Kraftwerk in Kiel, ist nicht glaubwürdig. Wahrscheinlich hat man sich nicht ausreichend bemüht. So werden im Ballungszentrum NRW, dem traditionellem Kohlegebiet z.Zt. mehrere leistungsstarke GuD-Kraftwerke von Statoil und Dong gebaut. EON betreibt in Kiel verständlicherweise eine Verzögerungspolitik, weil langfristige ungünstige Lieferverträge mit Russland bestehen und der Trend zur unabhängigen Gasversorgung mit LNG verschlafen wurde. Von MVV haben wir bisher keine Stellungnahme gehört. Wird hier auch eine Entscheidung verzögert, weil das GKK mit der billigen Ostblockkohle gute Gewinne macht?

Für ganz fatal halten wir die Nichtfestlegung bei der zukünftigen Kieler Stromversorgung. Es sind zwar alle GuD-Möglichkeiten aufgeführt, aber auch, dass es ohne GuD-Kraftwerk geht. In dem Fall muss Kiel ausschließlich über das Europäische Verbundnetz zu Preisen der Leipziger Strombörse versorgt werden, d. h. auch mit Kohle- und Atomstrom. Das widerspricht aber den bisherigen Ratsbeschlüssen und man hat keinen Einfluss mehr auf den Strommix. Außerdem wird eine Chance zur Verselbständigung der Stadtwerke ohne Not aufgegeben. 

Auf die Forderung der BI, hier die innovativen Vorschläge zu berücksichtigen, wird  mit der Gutachtermeinung, dass sie bis 2020 technisch und wirtschaftlich nicht umsetzbar sind, geantwortet. Das ist sachlich in einigen Punkten falsch, z. B. Ist Wind-und Solarstrom zeitweise im Überfluss da. Er muss nur direkt bezogen werden und man kann langfristige Lieferverträge vereinbaren. Die notwendige Regelung des Netzes wird bereits jetzt von Spitzen-und Speicherkraftwerken, bzw. von konventionellen Kraftwerken betrieben. Wir befürchten, dass auch hier die bereits absehbaren Entwicklungen verschlafen werden.

Es ist doch allgemein bekannt, dass bereits jetzt ein großer Teil unseres Stroms von Wind- und Solaranlagen stammt und dass der Anteil besonders in SH noch weiter steigen wird. Damit steigt aber auch der anteilige Energiebedarf  für wind- und sonnenfreie Zeiträume, der von Speicherkraftwerken oder von konventionellen Kraftwerken gedeckt werden muss. Die Jahresproduktion der konventionellen Kraftwerke wird geringer und neue Kraftwerke müssen sich   erheblich schneller in einem größeren Regelbereich bewegen. Dafür sind die Kohle- und Atomkraftwerke wenig geeignet.

Für die absehbaren Anforderungen eignen sich am besten Pumpspeicherwerke, die man in geeignetem Gelände errichten kann. Ein solcher Platz befindet sich in Schwedeneck, wo man mit einer Investition von ca. 50Mio € eine Kapazität von mehr als 1000 MWh schaffen könnte. Hier bietet sich die Chance für Kiel, mit überschüssigem Windstrom den Speichersee preiswert aufzufüllen und bei Bedarf die Energie mit Gewinn wieder ins Stromnetz einzuspeisen.

Leider eignen sich in SH nur wenige weitere Orte dazu, so dass als zweitbeste Lösung nur noch ein GuD-Kraftwerk infrage kommt. Es hat aber den Vorteil, dass es bei guter Flexibilität auch lange Energielücken überbrücken kann. Wie im Gutachten vorgeschlagen wird, kann ein 400 MW-Kraftwerk auch fast den gesamten Fernwärmebedarf decken. Daneben kann es auch als Spitzenkraftwerk überregional eingesetzt werden. Das ist sehr positiv für die Netzstabilität zu bewerten angesichts der zu erwartenden wachsenden Stromlücken.

Für ein zukunftsfähige Energieversorgung der Stadt Kiel müssen diese Argumente mehr Berücksichtigung finden, denn das Kraftwerk und das Fernwärmenetz sollen mindestens 30 Jahre in Betrieb sein. Wie schnell sich die Anforderungen ändern können, kann man daran sehen, dass zum Zeitpunkt des Gutachtens der Atomausstieg noch in weiter Ferne lag. Es war zwar ein politischer Beschluss, der aber aufgrund des wachsenden Umweltbewusstseins bereits in der Luft lag. Folglich muss man in dieser Richtung weiter denken, wenn man Anlagen plant, die mehrere Jahrzehnte lang akzeptiert werden sollen.

 

Pressemitteilung 

Für Dienstag, den 6.12.2011 lädt die "BürgerInneninitiative umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel" zu einer Veranstaltung ein zum Thema „Wärmeversorgung der Klimaschutzstadt Kiel“

Die Veranstaltung findet in den Räumen des Naturerlebniszentrums Kollhorst, Kollhorster Weg 1, 24109 Kiel um 19.00 Uhr statt.

Da die Planung einer Fernwärmeleitung von Neumünster nach Kiel vom Tisch ist, ist es umso dringlicher, Alternativen für die Wärmeversorgung zu beleuchten, die einer Klimaschutzstadt würdig sind.

Langfristig müssen unseres Erachtens Lösungen gefunden werden, die auf erneuerbaren Energien basieren und eher kurze Wege bei der Wärmeversorgung wählen. 

Aus diesem Grund würden wir gern die fachliche Meinung der Geologischen Dienste des Landes zum Thema Erdwärme hören. 

Folgende Podiumsteilnehmer haben zugesagt: 

Dr. Reinhard Kirsch, LLUR Geologischer Dienst

Peter Todeskino, Dezernent für Bau und Umwelt der LH Kiel

Willi Voigt, Mitglied des Aufsichtsrates der Stadtwerke Kiel und ehemaliger Energie-Staatssekretär des Landes SH 

Die Veranstaltung ist als Podiumsdiskussion vorgesehen, auf der die Podiumsteilnehmer aus ihrer Sicht die Perspektiven der Wärmeversorgung darstellen, bzw. fachliche Hintergrundinformationen für eine anschließende Diskussion liefern, bei der auch das Publikum mit einbezogen werden soll. 

Mit freundlichen Grüßen

Eva Börnig

Im Auftrag der BürgerInneninitiative umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel

 

Klimaschutzstadt Kiel:

Stadtwerke/MVV verweigern Umsetzung des Energiekonzeptes

Am 10. Mai 2011 stellte das Umweltamt erstmalig das klimaverträgliche Energiekonzept für Kiel öffentlich zur Diskussion. Ca. 100 TeilnehmerInnen im Kieler Ratssaal wurden die Ergebnisse der von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten vorgestellt. Grundlage der Gutachten war der Beschluss der Ratsversammlung aus dem Jahre 2008: „In Kiel wird kein neues Kohlekraft gebaut“ und stattdessen ein Energiekonzept mit dezentrale Energieversorgung und Nutzung erneuerbarer Energien umzusetzen.

Ursprünglich war geplant auf einer anschließenden Podiumsdiskussion über die weitere Umsetzung des Energiekonzeptes mit Gutachtern, Stadtwerken, Umweltverbänden und Bürgerinitiative zu diskutieren.

Aber daraus wurde nichts. Die Stadtwerkevertreter sagten kurzfristig ab und ließen stattdessen am gleichen Tag in der Presse verlautbaren, dass sie Besseres vorhaben. Sie präsentierten kurzerhand ihre Zusammenarbeit mit dem Kohlekraftwerk in Neumünster. Für 50-60 Mio. Euro wollen sie eine 40 km lange Fernwärmeleitung bauen und so sollen angeblich Überkapazitäten in NMS genutzt werden. Dafür wollen sie die Minderheitsanteile von EON übernehmen. Was diese Anteile für die Kieler Stadtwerke kosten, wurde nicht berichtet. Das Kieler Gemeinschaftskraftwerk hat nur eine Laufzeit bis 2015 und müsste dann stillgelegt werden oder für ca. 30 Mio. Euro wieder für eine längere Laufzeit restauriert werden, was dem Kieler Energiekonzept widersprechen würde.

Der Umweltdezernent und gerade wiedergewählte grüne Bürgermeister Todeskino konnte nichts zu den neuen Plänen der Stadtwerke sagen. Hinter den Kulissen war aber Bürgermeister Torsten Albig als städtischer Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke mit an dem neuen Deal beteiligt. Offensichtlich hat er einen besseren Draht zur MVV, die sich davon wirtschaftlich mehr versprechen. 

Der Oberbürgermeister hält anscheinend nichts von dem klimaverträglichen Energiekonzept der Stadt Kiel. Das ist um so schwerwiegender, weil es bislang noch kein Konzept für die finanzielle Umsetzung gibt. 

So sieht also die vielbeschworene gute Zusammenarbeit mit den Stadtwerken/MVV aus. Wenn ihnen das klimafreundliche Energiekonzept nicht passt, lassen sie den Partner mit dem 49%igen Anteil sitzen und stellen die Stadt und das Umweltamt vor vollendete Tatsachen. Und der Sozialdemokrat Albig spielt bei dem Ganzen mit, weil es „handfeste wirtschaftliche Vorteile“ gäbe und angeblich den CO2-Ausstoß in der Region verringern würde (und was machen sie mit der überschüssigen Wärme im Sommer?). Hier vertritt die Kieler Oberbürgermeister schamlos die Gewinninteressen des Mannheimer Energiekonzerns und fällt dem Umweltamt in den Rücken!

In dem von den Gutachtern vorgestellten städtischen Energiekonzepts ist u.a. von dem Bau eines 400 MW Gas- und Dampfkraftwerkes die Rede, wobei die Bürgerinitiative und der BUND sich für ein kleineres Kraftwerk und mehr dezentralen BHKWs einsetzen. Aber bisher ist völlig unklar, wie dieses, zusammen mit den anderen Vorschlägen der Gutachter finanziert werden soll.

Auf die Nachfrage, warum dies nicht in den Gutachten enthalten ist und welche Vorstellungen das Umweltamt dazu hat, wurde geantwortet: Es gäbe noch kein Finanzierungskonzept, darüber müsse die Politik erst noch reden. Finanzpartner würden gesucht.

Die Stadtwerke/MVV haben sich also schon entschieden, dass sie dafür nicht in Frage kommen und so rächt sich erneut die Privatisierung der Kieler Stadtwerke. Die MVV als Mehrheitseigner will vor allem Strom und Fernwärme verkaufen und daran gut verdienen.

Eine dezentrale umweltfreundliche Energieversorgung, in der die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden und die auf Energiesparen ausgerichtet ist, weg von Kohle- und Atomstrom, passt nicht in das Kerngeschäft der MVV, die auch in Mannheim immer noch auf Kohlekraft setzt.

Für ein demokratisches Energiekonzept braucht die Stadt eine eigenständige finanzielle Lösung und keine Investoren aus Energiekonzernen.

Eigentlich wäre es an der Tagesordnung, solch ein Geschäftsgebahren als Anlass zu nehmen, die Energiekonzerne zu enteignen. Mindestens aber die Anteile der Stadtwerke zurückzukaufen, um wieder handlungsfähig zu sein. Die Versorgung mit Strom, Wärme, Gas und Wasser ist eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge und gehört auch in kommunale Hände. Zukunftsfähige Investitionen in moderne und umweltfreundliche Energieversorgung sind nötig. Dafür muss die Stadt die Kontrolle wieder zurückholen.

Wie dies gehen kann, zeigen gerade die Volksbegehren in Hamburg, die sich für den Rückkauf der Netze einsetzen. Es reicht zwar nicht, nur die Netze wieder in kommunalen Besitz zu haben, denn auch die Energieerzeugung gehört dazu. Aber es ist der erste Schritt. Im Jahre 2014 laufen in Kiel die Konzessionsverträge für die Netze aus. Dann hat die Stadt die Möglichkeit die Netze zurückzukaufen. Dafür müsste die Stadt, wenn sie schon nicht die Stadtwerke rekommunalisieren kann (Die Verträge mit der MVV laufen bis 2023 und ob die MVV die Anteile freiwillig rausrücken ist unklar.) selber Geld in die Hand nehmen und z. B. eine eigene kommunale Netzgesellschaft gründen. Das wäre nichts Neues. Auch andere Städte haben bewiesen, dass sie aus Fehlern lernen können und haben neue Stadtwerke gegründet. Dieser Weg wäre auch für Kiel möglich. Hier könnten dann wieder neue Arbeitsplätze und Anlagen geschaffen werden. Auch wenn es ein schwerer Schritt ist, könnte die Energieversorgung in Kiel im Interesse der Bevölkerung mit demokratischen Mitspracherechten und wenn gewünscht sogar mit finanzieller Beteiligung der Bevölkerung organisiert werden. Hier hätten z.B. auch Bürgersolaranlagen ein Dach. Energiesparberatung, Service, Kleinkredite für energiesparende Geräte und die Gewährleistung von sozialen Tarifen für die Kunden wären möglich. Bedingung ist allerdings, dass die Stadt Kiel die Finanzierung selbstständig und konzernlos tätigt. Dies ist machbar, denn dieser Betrieb ist im Sprachgebrauch der Banken und Geldgeber rentierlich. Kommunen können zinsvergünstigte Kredite erhalten. Eigentlich sollten sie die Kredite kostenlos erhalten, denn der Staat hat Milliarden in die Rettung der Banken gesteckt. Der Kredit kann zurückgezahlt werden aus den Einnahmen, die sonst bei den Aktionären der Energiekonzerne landen. Danach könnte für weitere Zukunftsinvestitionen zurückgelegt werden und gleichzeitig wäre ein sozialverträglicher Strom- und Wärmepreis möglich, solange es keine Sondertarife für Großabnehmer gibt.

Diese Umsetzung eines eigenständigen umweltfreundlichen Energiekonzeptes ist allerdings nur durch den politischen Druck von unten möglich. Jetzt erkennen viele Menschen, dass die Energiekonzerne ihre Gewinne mit Risikotechnologien wie Atomkraft und Kohle auf Kosten von Mensch und Natur machen. Da ist es an der Zeit weiterzudenken und eine Energie- und Wasserversorgung in Bürgerhand zu fordern. Energie, Wasser und Netze jetzt rekommunalisieren! (Uwe Stahl)