Zum ehemals geplanten 800 MW-Kohlekraftwerk in Kiel


Auf dem Gelände des bisherigen Gemeinschaftskraftwerks war der Bau eines neuen etwa doppelt so großen Kohlekraftwerks geplant und danach das alte abzureißen.

Kiel liegt sehr günstig für ein Kohlekraftwerk, da die Kohle per Schiff angeliefert werden kann und die Wassertiefe ca. 12 m beträgt. Außerdem steht Kühlwasser unbegrenzt zur Verfügung.

Da wegen kurzer Liegezeiten aber ganze Schiffsladungen zu der 30-tägigen Reserve gelagert werden müssen, ist ein riesiger Platzbedarf mit Förder- und Transporteinrichtungen erforderlich. Dazu kommt noch eine Pier mit entsprechend leistungsfähigen Löscheinrichtungen.

Das Image der Stadt Kiel mit einer der schönsten Hafeneinfahrten wird von den riesigen Kohlehalden, dem erheblich größeren Abgasfilter, dem 110-120 m hohen Kesselhaus und dem 180 m hohen Schornstein nachhaltig gestört. Für den Kraftwerksbetrieb ist das unvermeidlich, für das Ambiente der Stadt Kiel und der Umgebung jedoch unzumutbar.

Es ist auch damit zu rechnen, dass in Zukunft strengere Umweltauflagen betreffend Feinstaub eingehalten werden müssen. Das betrifft sowohl den Kohleumschlag, die Lagerung, den Transport und die Abgasemission. Der Feinstaubgehalt im Rauchgas ist gesetzlich begrenzt auf 20 mg/m³. Bei der jetzigen Rauchgasmenge von 1.300.000 m³/h wäre das 26 kg/h oder 624 kg/Tag. Es ist damit vergleichbar, als wenn stündlich 1 Sack Zement je 25 kg (oder täglich 24 Sack) aus dem Kamin ausgeschüttet werden. Die zulässigen Werte für Schwefel und Stickstoff sind mit je 200 mg/m³ noch wesentlich höher.Mit dem neuen Kraftwerk dürfen die Emissionen mehr als verdoppelt werden.

Ein Kohlekraftwerk gilt technologisch gesehen als unmodern, da der Wirkungsgrad ca. 13 %-Punkte niedriger liegt als bei einem GuD-Kraftwerk (Gas- und Dampfturbine).

Derzeit spracht nur der aktuelle Preis je erzeugter kWh für die Kohle. Wie lange noch war aber ungewiss, da eine höhere CO2-Emissionsabgabe diesen Vorteil in Zukunft aufheben konnte.

Bei der Vergrößerung des neuen Kraftwerks von bisher 354 MW auf 800 MW wäre der Kohleverbrauch und die benötigte Kühlwassermenge entsprechend höher. Statt 840 000 t Kohle jährlich sollten künftig 1 800 000 t per Schiff angelandet werden. Es entsteht mehr Rauchgas und Abwärme, die nur zum Teil als Fernwärme genutzt werden kann.

Der Gesamtwirkungsgrad eines Kraftwerks kann durch Abwärmenutzung erheblich gesteigert werden. In Kiel geschieht dies bereits seit 1907. Das jetzige Kieler Kraftwerk hat je nach Jahreszeit 70-295 MW Fernwärme geliefert.Die Fernwärmeleistung von 428 MW wurde bisher als Höchstlast aller Heiz-und Heizkraftwerke angegeben. Das neue Kraftwerk allein soll aber schon 450 MW einspeisen. Das Müllheizkraftwerk und das Heizkraftwerk Humboldtstraße liefern aber weiterhin Wärme. Das kann nur funktionieren, wenn das Fernwärmenetz erheblich vergrößert wird. Dazu fehlen aber die finanziellen Mittel.

Bei dem geplanten neuen großen Kohlekraftwerk wäre die Abwärmemenge verdoppelt worden und hätte dann nur zu einem kleinen Teil genutzt werden können. Der größere Teil müsste über das Kühlwasser in die Förde abgeleitet werden. Das bedeutet eine gewaltige Verschwendung von Primärenergie und eine überflüssige Steigerung der CO2-Emission.

Gerade um dieses zu vermeiden, wurde mit erheblichen Fördermitteln die Forschungen in den Bereichen Kraftwerksentwicklungen unterstützt, die aber erheblich geringere Verbesserungen bringen als die Abwärmenutzung durch Fernwärme.

Je größer ein Kraftwerk ist, um so größer muss auch das Fernwärmenetz werden, um die große Abwärmemenge loszuwerden. Mit der großen Leitungslänge wachsen aber auch die Wärmeverluste, die auch bei einer sehr guten Isolierung der Fernwärmerohre vorhanden sind.

Dadurch ist eine sinnvolle Nutzung der Abwärme begrenzt und folglich auch die Größe eines effektiven Kraftwerks. Neue Kraftwerke sollten deshalb nur so groß gebaut werden wie auch die Abwärme genutzt werden kann. Nur so kann die Primärenergie optimal verwertet und die CO2 -Emission verringert werden.

Außerhalb des Fernwärmenetzes beginnt der effektive Bereich der dezentralen Blockheizkraftwerke. Sie bestehen z.B. aus einem erdgasbetriebenen Motor, der über einen Generator Strom erzeugt und über das Kühlwasser Wärme zur Verfügung stellt. Der Strom kann über das Netz verkauft werden und die Wärme für Heizung und Warmwassererzeugung genutzt werden. So werden erheblich höhere Gesamtwirkungsgrade als bei reinen Elektrizitätskraftwerken erreicht und entsprechend Primärenergie gespart.

Dänemark produziert über 50% seiner Elektrizität durch eine gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme, Deutschland liegt da noch weit zurück bei 12%. Von der EU wird bereits kritisiert, dass man in Deutschland wider besseren Wissens noch zu sehr auf große Kohlekraftwerke und eine zentrale Versorgung fixiert ist.

Bei der Elektrizitätserzeugung in Schleswig–Holstein besteht z. Zt. eine Überkapazität von ca. 70% und ein wesentlich erhöhter Eigenbedarf ist auf längere Sicht nicht absehbar. Eine Vergrößerung des Kieler Kraftwerks ist daher nicht notwendig, es sei denn, der Strom soll dauerhaft nach Süden verkauft werden. Unbestritten ist aber, dass es modernisiert werden muss.

Aktuelle Meldungen von den Auswirkungen der Klimaerwärmung machen die Vermeidung oder Verringerung von CO2- Emissionen immer dringender. Für Kraftwerksneubauten müssen deshalb höchste Wirkungsgrade angestrebt und der Brennstoff mit der geringsten CO2-Emission ausgewählt werden. Die Verbrennung von Erdgas statt Kohle gewährleistet auf lange Sicht die weitaus größte CO2 - Reduzierung. Eine Vergleichsrechnung eines Kohlekraftwerks mit einem GuD-Kraftwerk gleicher Leistung zeigt, dass dabei 56% weniger CO2 erzeugt werden! Diese große Differenz bei der CO2-Emission ist aus bestimmten Gründen nicht sehr bekannt. Sie kann bei Kohlekraftwerken durch keine bisher technisch machbaren Maßnahmen erreicht werden.

In Kiel sollte deshalb konsequenterweise statt des geplanten 800 MW-Kohlekraftwerks ein gasbeheiztes GuD-Kraftwerk in einer Größenordnung gebaut werden, die einen hohen Wirkungsgrad gewährleistet. Dafür sprechen auch noch weitere Gründe:

  • Es ist ideal geeignet als Spitzenkraftwerk zum Ausgleichen von der unterschiedlichen Windstromeinspeisung,
  • es ist keine neue Trasse für die vorgesehene 380-kV-Hochspannungsleitung erforderlich,
  • der Übersee-Kohletransport nach Kiel dauert 1 Tag länger als zu den Nordseehäfen und ist damit teurer,
  • der mit hohem Aufwand sanierte Ostuferstrand neben dem Kraftwerk wird nicht durch Kohlestaub verschmutzt,
  • die wertvollen Grundstücke Hasselfelde, für die FH-Studenten attraktive Projekte mit Wohnbebauung, Marina, Freizeitpark ausgearbeitet haben, können vermarktet werden.

Das bereits erwähnte GuD-Kraftwerk ist eine gute Alternative, für das Kiel ebenfalls günstig liegt. Die Gasversorgung kann über eine neue Pipeline ab Wasbek vom Netzverbund erfolgen, in den Nordsee-Erdgas von Holland, Ostfriesland und Dänemark eingespeist wird.

Insgesamt bieten sich folgende Vorteile:

  • Hoher Wirkungsgrad,
  • weniger Abwärme,
  • erheblich weniger CO2-Emission,
  • geringerer Primärenergieverbrauch,
  • keine aufwändigen Anlandeeinrichtungen,
  • keine Förder- und Transportmaschinen,
  • kein Feinstaub,
  • kein riesiger Abgasfilter
  • keine nachteilige Fördeansicht,
  • modernste, umweltfreundliche Kraftwerkstechnik,
  • großer Gas- Kavernenspeicher in Kiel- Rönne,
  • Einspeisemöglichkeit für Bio- Gas,
  • hoher Automatisierungsgrad,
  • weniger Wartungsaufwand,
  • erheblich niedrigere Anlagekosten,
  1. kein Platzbedarf für Kohlehalden, auf dem Gelände können Betriebe mit erheblich mehr als die vorgesehenen 100 Arbeits-plätze angesiedelt werden. Zum Vergleich sind in Schleswig-Holstein bereits über 5000 Arbeitsplätze für regenerative Energien entstanden.

  2. Als Vorbild für das neue Kieler Kraftwerk könnte das GuD-Kraftwerk der Stadtwerke Münster dienen, bei dem der Wirkungsgrad über 88% liegt und die Staubbelastung um 90% verringert wurde.
  3. Als negatives “Vorbild” eignet sich das laufend modernisierte 626 MW-Kohlekraftwerk in Apenrade mit den riesigen Kohlehalden und der Staubbelastung.

Ein neues Kraftwerk sollte erheblich kleiner als das geplante ausgeführt werden. Ein optimal an das Fernwärmenetz angepasste GuD- Kraftwerk hat einen viel höheren Gesamtwirkungs-grad und ist in jeder Hinsicht sauberer.

Hier sind nicht nur die Stadtwerke betroffen, sondern auch Anlieger, deren Grundstücke noch weiter im Wert fallen, aber auch Kieler Bürger und die Umwelt. Deshalb sollten neutrale Gutachter hizugezogen werden, z. B:

  • UTEC Ingenieurbüro, Bremen (war bereits mehrfach tätig für die Stadtwerke),
  • Eutech Energie & Management GmbH, Aachen,
  • Prof. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg, stellvertr. Vorsitzender einer UN-Arbeitsgruppe zum Klimawandel.

Kiel ist im Mai 2004 dem weltumspannenden Klima-Bündnis beigetreten und im Oktober 2005 wurde das Projekt “Klimaschutzstadt Kiel 2010” beschlossen. In Abstimmung mit den Stadtwerken soll ein nachhaltiges kommunales Energie- und Klimaschutzkonzept entwickelt werden. Damit hat Kiel sich eindeutig dem Ziel verpflichtet,die CO2- Emissionen zu verringern.

Mit dem Bau des neuen Kohlekraftwerks wird aber das Gegenteil erreicht.

Dipl.-Ing. Peter Hartz VDI Kiel, den 23.02.2007