Stellungnahme der BI Umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel

zum Beschluss der Kieler Ratsversammlung vom 09. Juni 2011
Klimaverträgliches Energieerzeugungs- und Versorgungskonzept Kiel (EVKK)

 

Die unter Punkt 3.2 genannte Alterative, Fernwärme aus Neumünster zu beziehen, halten wir für eine Mogelpackung. Damit würde Kiel ein Kohlekraftwerk durch die Hintertür bekommen. Das Argument, dass NMS so die überschüssige Wärme umweltfreundlich, auch was die CO2-Bilanz betrifft, verwerten würde, trifft nicht zu, denn die Wärme könnte umweltfreundlicher in einem erweiteren Wärmenetz vor Ort eingesetzt werden. In NMS besteht ohnehin ein großer Nachhol-bedarf, da die Anschlussquote erheblich geringer als in Kiel ist. Die geschätzten Baukosten von 60Mio € für die Fernwärmeleitung nach Kiel könnten eingespart oder für ein Pumpspeicherwerk im Bereich Kiel verwendet werden.

Mit dem Bau einer Fernwärmeleitung zwischen Kiel und Neumünster werden Entwicklungen festgeschrieben, die Kiel zukünftig ohne eigene Stromerzeugung dastehen lassen, denn einerseits muss sich die Investition amortisieren, andererseits ist dann NMS für ein größeres GuD-Kraftwerk der günstigere Standort, zumal es bereits an der großen Deudan-Gaspipeline liegt und eine Zubringer-Pipeline nach Kiel überflüssig wird.

Das Argument man findet keinen Investor für ein GuD-Kraftwerk in Kiel, ist nicht glaubwürdig. Wahrscheinlich hat man sich nicht ausreichend bemüht. So werden im Ballungszentrum NRW, dem traditionellem Kohlegebiet z.Zt. mehrere leistungsstarke GuD-Kraftwerke von Statoil und Dong gebaut. EON betreibt in Kiel verständlicherweise eine Verzögerungspolitik, weil langfristige ungünstige Lieferverträge mit Russland bestehen und der Trend zur unabhängigen Gasversorgung mit LNG verschlafen wurde. Von MVV haben wir bisher keine Stellungnahme gehört. Wird hier auch eine Entscheidung verzögert, weil das GKK mit der billigen Ostblockkohle gute Gewinne macht?

Für ganz fatal halten wir die Nichtfestlegung bei der zukünftigen Kieler Stromversorgung. Es sind zwar alle GuD-Möglichkeiten aufgeführt, aber auch, dass es ohne GuD-Kraftwerk geht. In dem Fall muss Kiel ausschließlich über das Europäische Verbundnetz zu Preisen der Leipziger Strombörse versorgt werden, d. h. auch mit Kohle- und Atomstrom. Das widerspricht aber den bisherigen Ratsbeschlüssen und man hat keinen Einfluss mehr auf den Strommix. Außerdem wird eine Chance zur Verselbständigung der Stadtwerke ohne Not aufgegeben.

Auf die Forderung der BI, hier die innovativen Vorschläge zu berücksichtigen, wird mit der Gutachtermeinung, dass sie bis 2020 technisch und wirtschaftlich nicht umsetzbar sind, geantwortet. Das ist sachlich in einigen Punkten falsch, z. B. ist Wind- und Solarstrom zeitweise im Überfluss da. Er muss nur direkt bezogen werden und man kann langfristige Lieferverträge vereinbaren. Die notwendige Regelung des Netzes wird bereits jetzt von Spitzen-und Speicherkraftwerken, bzw. von konventionellen Kraftwerken betrieben. Wir befürchten, dass auch hier die bereits absehbaren Entwicklungen verschlafen werden.

Es ist doch allgemein bekannt, dass bereits jetzt ein großer Teil unseres Stroms von Wind- und Solaranlagen stammt und dass der Anteil besonders in SH noch weiter steigen wird. Damit steigt aber auch der anteilige Energiebedarf für wind- und sonnenfreie Zeiträume, der von Speicherkraftwerken oder von konventionellen Kraftwerken gedeckt werden muss. Die Jahresproduktion der konventionellen Kraftwerke wird geringer und die Kosten je kWh steigen entsprechend. Neue Kraftwerke müssen sich erheblich schneller in einem größeren Regelbereich bewegen. Dafür sind die Kohle- und Atomkraftwerke wenig geeignet.

Für die absehbaren Anforderungen eignen sich am besten Pumpspeicherwerke, die man in geeignetem Gelände errichten kann. Ein solcher Platz befindet sich in Schwedeneck, wo man mit einer Investition von ca. 50Mio € eine Kapazität von mehr als 1000 MWh schaffen könnte. Hier bietet sich die Chance für Kiel, mit überschüssigem Windstrom den Speichersee preiswert aufzufüllen und bei Bedarf die Energie mit Gewinn wieder ins Stromnetz einzuspeisen.

Leider eignen sich in SH nur wenige weitere Orte dazu, so dass als zweitbeste Lösung nur noch ein GuD-Kraftwerk infrage kommt. Es hat aber den Vorteil, dass es bei guter Flexibilität auch lange Energielücken überbrücken kann. Wie im Gutachten vorgeschlagen wird, kann ein 400 MW-Kraftwerk auch fast den gesamten Fernwärmebedarf decken. Daneben kann es auch als Spitzenkraftwerk überregional eingesetzt werden. Das ist sehr positiv für die Netzstabilität zu bewerten angesichts der zu erwartenden wachsenden Stromlücken.

Für ein zukunftsfähige Energieversorgung der Stadt Kiel müssen diese Argumente mehr Berücksichtigung finden, denn das Kraftwerk und das Fernwärmenetz sollen mindestens 30 Jahre in Betrieb sein. Wie schnell sich die Anforderungen ändern können, kann man daran sehen, dass zum Zeitpunkt des Gutachtens der Atomausstieg noch in weiter Ferne lag. Es war zwar ein politischer Beschluss, der aber aufgrund des wachsenden Umweltbewusstseins bereits in der Luft lag. Folglich muss man in dieser Richtung weiter denken, wenn man Anlagen plant, die mehrere Jahrzehnte lang akzeptiert werden sollen.